(Offener) Brief vom 3.3.2022 an die GMK (jetzt mit Antwort)

Hier geht es zur Antwort der Vorsitzenden der GMK vom 31.3.2022

 

 

Sehr geehrte Frau Minister Grimm-Benne,

 
ich schreibe Ihnen in Ihrer Funktion als Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz 2022 mit der Bitte, diesen Brief an Ihre sehr geehrten Ministerkolleginnen und -kollegen der Länder weiterzuleiten. 
 
Anlass meines Schreiben ist Ihr (GMK-)Beschluss vom 24.02.2022 mit dem Sie die Bundesregierung auffordern, die am 16.01.2020 vom Bundestag beschlossene Novellierung des TPG im Grundsatz wie folgt zu ändern: „Entbindung der für die Ausstellung und die Ausgabe von Personalausweisen, Pässen oder Passersatzpapieren sowie von eID-Karten zuständigen Stellen von der Pflicht zur Sicherstellung der Abgabe einer Erklärung zur Organ- und Gewebespende in das Online-Organspenderegister nach § 2 Absatz 1 TPG.

 

Ich bin seit mehr als 25 Jahren sehr erfolgreich nierentransplantiert, konnte durch diese Therapie bis zu meiner Rente beruflich sehr erfolgreich sein und bin ein sehr gutes Beispiel dafür, was ein transplantierter Patient alles leisten kann, fast immer im Gegensatz zu langjährig dialysepflichtigen Patienten. 
 
Ich engagiere mich seit vielen Jahren für das Thema Organspende, damit möglichst alle Wartepatienten in den Genuss einer Transplantation kommen.
Wir Nierenkranke können viele Jahre dialysieren, die Wartepatienten auf ein Herz, Leber, Lunge erhalten dieses Organ rechtzeitig – oder sie sterben.
 
Bitte erlauben Sie mir deshalb, mit dem größten Respekt, Ihnen und Ihren Ministerkolleginnen und -kollegen meine große Verärgerung, meine Wut, meine Enttäuschung und meine Ohnmacht zu offenbaren. 
 
Sie hatten sowohl im Vorfeld der politischen und gesellschaftlichen Debatte vor dem 16.01.2020 und auch noch danach mehr als zwei Jahre Zeit, Ihren Bedenken und Ihren Sorgen zu diesem Gesetz auf allen möglichen Kanälen Ausdruck zu verleihen. Nun, fünf Tage vor dem Inkrafttreten dieses ohnehin schon wirkungsfragwürdigen Gesetzes fassen Sie den oben zitierten Beschluss. Ich bin fassungslos, ich bin traurig, ich muss Ihnen schreiben!
 
Entschuldigen Sie meine Direktheit: Ihr Beschluss vom 24.02.2022 ist ein Faustschlag ins Gesicht aller Organ-Wartepatienten! Nicht genug, dass der Bundestag am 16.01.2020 den mehrheitlichen Willen der deutschen Gesellschaft zur Einführung der Widerspruchsregelung (WSR) ignoriert hat, nein, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen streiten seit Jahren darüber, wer für die Anbindung des (Stand heute gescheiterten) Organspenderegisters an die kommunalen Ausweisstellen verantwortlich ist. Und nun, 5 Sekunden vor 12, ziehen Sie eine Notbremse, die Sie schon seit Jahren hätten ziehen können, ja sogar müssen, wenn Ihr o.g. Beschluss ernstgemeint ist. Und das ist er doch wohl. Nein, ich korrigiere mich: Sie verpassen der TPG-Novelle den Todesstoß.
 
Damit erweisen Sie den Kranken, ihren Angehörigen, selbst kleinsten Kindern einen Bärendienst und sind indirekt mitverantwortlich für die unverändert fortdauernde unsägliche und miserable Wartezeitensituation in Deutschland. Patienten werden weiterhin sterben, ihnen könnte jedoch geholfen werden. Wenn die Situation in Kinderkliniken oder bei der Krebsbekämpfung so schlecht wäre, ginge ein Aufschrei der Entrüstung durch Deutschland.
 
So gut wie alle Länder Europas machen es vor, überall ist die Organsspenderate pro 1 Mio. Bürger höher als bei uns. Alle Länder Europas bis auf D, DK, CH und Litauen haben mittlerweile die WSR eingeführt. Die Schweiz wird diese sehr wahrscheinlich in diesem Jahr einführen.
Aber ich komme vom Thema ab. Die WSR ist leider und wahrscheinlich für Jahre vom Tisch.
 
Frau Grimm-Benne, darf ich Sie fragen, mit welchen Patientenorganisationen, mit welchen Fachärzteschaften Sie diesen Beschluss diskutiert und abgestimmt haben? Bitte korrigieren Sie mich, falls ich falsch liege: Das ist ein Alleingang der GMK. 
 
Wie stellen Sie (und Ihre Kolleginnen und Kollegen) sich vor, dass die Bundesregierung das TPG wie ändert? Oder denken Sie: „Das ist doch nicht unser Problem, ist ein Bundesgesetz, es sind doch nur ca. 1.000 Patienten, die jährlich sterben.“
 
Der letzte Satz ist vielleicht ein bisschen polemisch, manchmal dient Polemik der Veranschaulichung und Verdeutlichung. Die GMK hat in Sachen Corona wahrscheinlich das Mögliche geleistet, ich kann mir vorstellen, dass weniger stringente Pandemie-Lösungen wegen diverser Meinungen und Lagen Ihrer Kolleginnen und Kollegen zustande kamen.
 
Umso schmerzhafter empfinde ich die Einmütigkeit Ihres Beschlusses vom 24.02.2022 (SH ausgenommen). 
Aus welchem Grund sind Sie PolitikerIn geworden? Sie wollen doch Politik für Menschen, für Patienten machen! Sie dürfen die Patienten nicht leiden lassen und müssen doch gerade als GesundheitsministerInnen den Kranken und Schwachen helfen.
 
Tun Sie es bitte, sorgen Sie für eine Revision Ihres Beschlusses.
In der Hoffnung auf eine positive Antwort verbleibe ich 

 

mit besten Grüssen, bleiben Sie gesund!



Mario Rosa-Bian