(Offener) Brief vom 7.3.2022 an BMG Prof. Lauterbach (jetzt mit Antwort)

(Antwort Gesundheitsministerium ganz am Ende)

 

 

Lieber Karl,

 
Im Rahmen der gesellschaftlichen und politischen Diskussion um die mögliche Einführung der Widerspruchsregelung (WSR) bei der Organspende im Vorfeld der BT-Abstimmung am 16.01.2020 hatte ich Dir das eine oder andere Argument pro WSR übermittelt und mich gefreut, dass Du es in Debatten, z.B. am 16.1.2020 bez. Schweden, auch verwendet hattest.
 
Ich selbst bin seit 26 Jahren erfolgreich nierentransplantiert, erster Vorsitzender der I.G. Niere NRW e.V., Vorstandsmitglied des Netzwerks Organspende NRW e.V. und im Patientenbeirat des Westdeutschen Zentrums für Organtransplantation (Essen), ich weiss, worüber ich schreibe und wünsche jedem Wartepatienten – egal, um welches Organ es sich handelt -, dass es ihm/ ihr so schnell wie möglich so gut geht wie mir. Es ist soviel mehr möglich und erreichbar als Transplantierter. Die Wartepatienten sind viel zu schwach und zu krank, um auf sich aufmerksam zu machen und haben keine Lobby.
 
Ich komme zum Thema:
Nun, das -sowieso wirkungsfragwürdige- Ergebnis vom 16.01.2020 ist auf absehbare Zeit irrelevant zur Erhöhung der Spenderrate, Stichwort Register, genauer: die äusserst zweifelhafte Aussage des registerführenden „Bundesinstituts für ….“ , dass wegen der Pandemie die Entnahmekrankenhäuser sich um den Zugriff auf das Register nicht kümmern konnten/ können. Der Vorstandsvorsitzende der DKG, Gerald Gaß, sagte dazu „ …die Darstellung … ist schlicht nicht zutreffend.“
 
Das kennst Du alles mit Sicherheit. 
Weiter unten/ hier findest Du meine Nachricht der letzten Woche an die GMK 2022, die m.E. mit ihrem Beschluss vom 24.02.2022 den Sargnagel in die TPG-Novelle schlägt.
 
Karl, wir, die Wartepatienten brauchen jetzt irgendein Signal der Hoffnung! Von Dir als BMG!
 
So kann und darf es nicht weitergehen! Die Politik hat in den letzten 25 Jahren bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine Verbesserung für die Wartepatienten vorausgesagt, doch jede Novelle, jede Strukturveränderung hat die Wartezeit langsam, aber kontinuierlich nur verlängert. Es ist ein schwerwiegendes und todbringendes Versagen auf der ganzen Linie. Ich weiss, dass Du (und Dein Vorgänger im Amt) dafür nicht verantwortlich waren und sind. Bitte berücksichtige dies bei der Bewertung dieses meines Hilferufs.
 
Dein tweet vom 16.01.2020 „…Wenn ihr {Baerbocks} Vorschlag kommt verlieren wir wieder nur Zeit, werden das Plädoyer für die WSR in Jahren erneut hier im BT hören….“ war/ ist falsch und richtig zugleich, denn die TPG-Novelle vom 16.01.2020 ist natürlich grober Unfug – einerseits, andererseits wird sie ja nun nicht umgesetzt. 
 
Wie wirst Du mit dem Beschluss der GMK vom 24.02.2022 umgehen?
 
Ist es nicht eine Steilvorlage, um etwas Neues, etwas wirklich Verbesserndes anzustoßen?
Ich bitte Dich -zumindest im Namen der Nieren-Wartepatienten in NRW- um eine öffentliche Stellungnahme. Ich weiss, die ca. 1.000 Wartelisten-Patienten, die jährlich versterben, weil kein Organ zur Transplantation zur Verfügung steht, haben einen „schweren Stand“ gegenüber ca. 250 Pandemie-Toten täglich. Es geht auch anders: Denn die Wartezeit für eine Niere beträgt in Deutschland ca. neun Jahre, in Spanien liegt sie bei ca. einem Jahr; aber das weisst Du natürlich auch alles. 
 
Wir müssen auch zu Pandemie-Zeiten den Tatsachen ins Auge sehen: Eine Triage findet seit Jahrzehnten täglich in Deutschland statt, und zwar für die Organ-Wartepatienten. Das muss ein Ende haben! 
 
Ich sehe Deiner Antwort mit Interesse entgegen.

Beste Grüße

 
Mario Rosa-Bian